Kommentar von Alexander Reinelt, Gründer und Geschäftsführer der SUSHIYA GmbH in München
Wir – und viele andere – haben die Zeiten der Schließungen dazu genutzt, um uns im Rahmen unserer Möglichkeiten so gut wie es geht an die neuen Herausforderungen anzupassen und alle Hygienemaßnahmen so auszubauen, dass die Gäste gut vor Ansteckung geschützt werden konnten.
Verunsichert durch die Berichte über hochgeschnellte Inzidenzen einerseits und andererseits durch die Sperrstunde 22 Uhr kommen erheblich weniger Gäste. In unserem Fall macht das einen Einbruch von 55% über mehrere Wochen aus. Da helfen auch die Schutzmaßnahmen, wie leistungsstarke Luftreiniger, Plastiktrennwände und verringerter Platzzahl (und das ist ja auch alles nur begrenzt einladend und gemütlich) wenig: die Gäste bleiben ab 20.15h überwiegend einfach weg. Kaum ein Gast mag mehr ab 20.15h kommen, wenn er um 22h das Restaurant verlassen muss – geschweige denn, dass er eine gute Flasche Wein oder Sake trinkt.
Unser Reservierungsbuch zeigt einen dramatischen Einbruch der Gästezahlen im Vergleich zu 2019
Sperrstunde 22 Uhr erhöht nicht die Sicherheit in Restaurants
Klar: niemand will sich in einem Winter mit stark gestiegenen Inzidenzen ausmalen, dass ein paar Unverantwortliche in Bars, Kneipen, Diskotheken oder Restaurants sich unter Alkoholeinfluss zu nahe kommen, Viren austauschen und weiterverbreiten oder vielleicht sogar schwer krank werden.
Aber die harte Sperrstunde um 22h beschädigt vor allem die Ertragsfähigkeit der gesetzten, oftmals hochwertigen und verantwortungsbewussten Speisegastronomie. Die Sperrstunde war schon 2020 eine schlechte Idee und ist jetzt, wo es 2G gibt und Anreize für geimpfte Personen und kontrollierte, gut belüftete Räume geben muss, absolut widersinnig!
Genau genommen wird das Gegenteil des Angestrebten erreicht: wer sich mit zeitlich größerer Freiheit treffen möchte, tut dies nicht im geprüften und luftgereinigten Restaurant, sondern im privaten und wesentlich weniger kontrollierten Raum.
Aus dem ländlichen Bereich bekommen wir Berichte, dass sich die Leute halt nicht mehr in der Wirtschaft treffen – sondern in irgendwelchen illegalen Bauwägen. In der Großstadt liefern dann Lieferdienste Alkohol und Essen in Privaträume, wo keiner nach einem 2G-Nachweis fragt und dem Gastronom, der alle möglichen Maßnahmen ergreift und für die Kontrolle Personal bereitstellt, brechen alle Weihnachtsfeiern weg.
22h Sperrstunde gefährdet die Existenz der Speisegastronomie
Eine scharfe Sperrstunde 22h zerlegt der Speisegastronomie – zusätzlich zu dem geringeren Besuch der ersten Belegung – die zweite Belegung fast vollständig! Für viele Restaurants macht das den Unterschied zwischen Insolvenz und Überlebensfähigkeit!
Ein korrekt geführtes Restaurant ist gerade jetzt auf jeden Euro Umsatz angewiesen, um diese Krise zu überstehen. Mit den hier verfügten Einschränkungen kann das nicht mehr funktionieren!
22h Sperrstunde verdrängt Treffen in den privaten Raum
In den meisten Speiserestaurants geht die letzte Bestellung um 22h in die Küche. Neue Gäste kommen um diese Zeit schon lange nicht mehr, die bereits Anwesenden (!) sitzen noch gemütlich, essen zu Ende. In dieser letzten Stunde wird absolut nicht die Gefährdung der Ansteckung erhöht, wohl aber ein entspannter Restaurantbesuch mit Ruhe zum Essen und sich unterhalten ermöglicht. Wenn das nicht mehr möglich ist, bleiben die Gäste lieber zuhause – nicht jeder will früh und in Eile essen.
Überbrückungshilfen müssen angepasst werden
Nun mag man denken, warum jammern denn die Gastronomen? Es gibt doch angeblich tolle Überbrückungshilfen!
Aber dies ist leider die zweite Seite der Zange, in die die Restaurants geraten: Die Wirtschaftshilfen, die bisher gewährt wurden, funktionieren nicht mehr, denn sie wurden – bisher – nicht den veränderten Bedingungen angepasst oder sogar stark eingeschränkt.
Die Problematik bei den Staatshilfen liegt im Detail: viele der aktuellen Hilfen (Ü3/Ü3+) bekommt man nur, wenn man mindestens 30% Umsatzeinbruch auf den Vergleichszeitraum 2019 hat. Das war anfangs noch plausibel und ein guter Maßstab — inzwischen sind die Kosten so gestiegen, dass es nicht mehr reichen kann!
Wenn Überbrückungshilfen ihren Zweck noch erfüllen sollen, müssen sie an die tatsächliche Kostensituation angepasst werden.
Überbrückungshilfe lässt gestiegenes Kostenniveau und angepasste Preise ausser Acht
2019 herrschte ein völlig anderes Umsatzniveau als 2021, sowohl preislich, als auch von der Lohn-Kostenseite. Viele Restaurants mussten als Reaktion auf die Pandemie im Sommer die Preise erhöhen.
Dabei können jedoch gar nicht alle Kostensteigerungen so schnell weitergegeben werden, wie sie entstehen: für Lebensmittel werden von vielen Lieferanten Tagespreise aufgerufen, die in den letzten Monaten enorm gestiegen sind. Auch die Energiekosten entwickeln sich zuletzt explosiv. Die Mitarbeiterabwanderung führt dazu, dass mehr Geld in die Hand genommen werden muss, um überhaupt Personal zu haben.
Die Bedingungen für Hilfen wurden zusätzlich verschlechtert
Es ist nicht etwa so, dass man einen Koch und einen Servicemitarbeiter in Kurzarbeit schicken kann, weil keine Gäste mehr ab 20.30h kommen. Die Personalstärke wird für die Zeit davor trotzdem gebraucht.
Corona wird nicht dadurch überwunden, dass noch mehr Restaurants in wirtschaftliche Fallen getrieben werden. Die Politik scheint sich um einen klaren Lockdown auch deshalb zu drücken, weil die Restaurants dann einfach geschlossen und die Mitarbeiter in Kurzarbeit wären. Es gibt wieder das gleiche inkrementielle Vorwärts-Rückwärts-Spielchen wie bereits in 2020.
(Update: am 15. Dezember hören wir, dass die Hilfen der Ü3+ doch auch gezahlt werden sollen, wenn man aus wirtschaftlichen Gründen schliesst – für die Zeit Ende November bis Mitte Dezember 2021 hilft das aber denen, die brav offenblieben, rückwirkend auch nicht mehr. Personal- und Betriebskosten sind entstanden.)
Umsatzsteuersenkung für Restaurants muss dauerhaft bestehen bleiben
Die Zukunft der Restaurants hängt von passenden Hilfen in der Krise ab
Die Details der Regelungen, die jetzt beschlossen werden, entscheiden darüber, ob die Gastronomie Bestandteil des öffentlichen Lebens bleiben kann, oder ob sich nur noch Schnellimbisse und Lieferdienste auf dem Markt halten können.
Bitte helfen Sie mit, dass Restaurants überleben können
Die Gastronomie ist ein verlässlicher Partner für den Staat in Bezug auf Maßnahmen, die die Infektionsgefahr verringern. Schon aus dem Interesse des Selbstschutzes heraus, aber natürlich auch, weil Hygiene und Sicherheit der Gäste gerade hier wichtig sind. Sie hat sich kreativ um Maßnahmen zum Schutz der Gäste bemüht.
Jetzt droht erneut durch unbedachtes Handeln der Politik schwere und dauerhafte Beschädigung dieses wichtigen Wirtschaftszweiges. Die Maßnahmen müssen mit denen abgeklärt werden, die mit den Auswirkungen auf die Gastronomie vertraut sind.
Wenden Sie sich an die zuständigen Politiker
Wir fordern oder unterstützen:
• kostenlose PCR-Bürgertests wieder einführen, damit sich jeder zuverlässig, unkompliziert und regelmässig testen kann, gerade auch für (uns) Geimpfte als doppelte Kontrolle! (Bekanntermassen sind Schnelltests nur begrenzt zuverlässig)
• Eine sofortige Rücknahme der Sperrstunde 22h, die für die Gastronomie einen 50%-Lockdown darstellt und vielerorts wirtschaftliches Arbeiten unmöglich macht.
• Dauerhafte Senkung des Steuersatzes für bewirtete Gäste auf 7%, denn die früheren 19% sind ohnehin eine kaum mehr erklärbare Benachteiligung der Restaurants und für viele Betriebe, wie uns, wird es Jahre dauern, bis Belastungen aus der Corona-Krise abgearbeitet sind — wenn sie überhaupt überleben!
• Entscheidend ist aber vor allem, dass die aktuellen Hilfen angepasst werden an die Situation Ende November / Anfang Dezember 2021, wo eine toxische Kombination aus Hilfen und Lockdown-Light via Sperrstunde 22 Uhr geschaffen wurde!
Wir wollen alle zusammen diese Pandemie in den Griff bekommen, aber die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen müssen „überlebbar“ sein. Wir von SUSHIYA würden im Zweifel lieber einen harten Lockdown mit angepassten Hilfen wie der November/Dezember-Hilfe 2020 mittragen.
Aber die momentanen Bedingungen können von uns und von vielen Restaurants und Wirtshäusern nicht mehr verkraftet werden.
Als Gastronomen werden wir seit Beginn der Krise in ständige, extreme existenzielle Nöte und Sorgen getrieben – und versuchen unsererseits, so gut wie möglich mitzuhelfen, dass die Krise überwunden werden kann.
Aber die im Herbst 2021 plötzlich auftauchenden, teilweise unsinnigen oder destruktiven Vorgaben setzen uns auf der Zielgeraden schachmatt!
Bitte helfen Sie, dass gerade die Restaurants, die die Pandemie-Einschränkungen mit großer Anstrengung bis hierhin überstanden haben, nicht jetzt doch noch aufgeben müssen.
Schreiben Sie an die Politiker, die Sie kennen, den für Ihr Stadtgebiet zuständigen Bundestagsabgeordneten, gleich welcher Partei (in unserem Fall ist das Bernhard Loos, der auf seiner Homepage sogar mit dem legendären Obstandl-Didi wirbt) oder an die bayerische Staatsregierung und machen Sie darauf aufmerksam, dass Sie auch weiterhin gute Restaurants besuchen können wollen und Einschränkungen und Ausgleichsmassnahmen vernünftig und durchdacht sein müssen. Vielen Dank!