Ursprung und Bedeutung des Wortes „Sake“
Eines der ältesten überlieferten Geschichtsbücher Japans ist das Kojiki (古事記), das in etwa für „Aufzeichnung alter Geschehnisse“ steht. In diesem Buch, das angeblich aus dem Jahre 712 stammt, wurde Sake „ki“ oder „miki“ genannt. Wie sich daraus das Wort „Sake“ entwickelte?
Eine Theorie meint, dass die Vorsilbe „sa“ zum alten Namen „ki“ hinzugefügt wurde.
Eine andere Einschätzung führt an, dass Sake einst „Sakae-mizu“ (栄え水, „herrliches Wasser“) genannt wurde, weil man sich nach dem Trinken gut fühlte.
In der japanischen Sprache wird Sake mit dem Kanji (漢字, chinesisch Zeichen) geschrieben. Das Zeichen „酒“ setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen, die als Piktogramme entstanden sein sollen: links eine Flüssigkeit und rechts ein Krug. Die gleichen Zeichen „酉“ findet man als Bestandteil des Wortes Medizin. Sake für die Gesundheit? Bemerkenswert!
Es gab eine Zeit, da war Sake das einzige alkoholische Getränk, das in Japan zu finden war. Damals war mit Sake selbstverständlich der Reiswein gemeint, den die Europäer heute als Sake kennen. Heutzutage jedoch, wo es Bier, Wein, Whisky und unzählige andere alkoholische Getränke gibt, ist das Wort „Sake“ ein allgemeiner Ausdruck, mit dem die Japaner jedes alkoholische Getränk bezeichnen. Um Sake von anderen alkoholischen Getränken zu unterscheiden, bezeichnen die Japaner ihn meist als „Nihon-shu“ (日本酒), was übersetzt so viel wie bedeutet „Japanisches Nationalgetränk“.
Die richtige deutsche Übersetzung für Sake ist aufgrund seines Herstellungsprozesses schwer zu finden.
Denn die Sake-Herstellung ist durch das Brauen am ehesten noch mit Bier zu vergleichen. Die Bezeichnung Reisbier wäre aufgrund des Alkoholgehalts und meistens nicht sprudelnden Zustands etwas irreführend.
Von der Aromatik am ehesten vergleichbare wäre Sake noch mit dem europäischen Wein – daher nennt man Sake auch gerne Reiswein.
Gleichzeitig ist es so, dass das Wort „Sake“ in Japan vom Schriftzeichen her eigentlich nur „Alkoholisches Getränk“ bedeutet und in Japan für den Sake, über den wir hier sprechen, oft die Bezeichnung „Nihon-Shu“ verwendet wird. Wie sooft kommt es in der japanischen Sprache also oft auf den Kontext an und die Dinge sind nicht so einfach zu erklären und zu übersetzen – ihre Einzigartigkeit lieben die Japaner 😉
Die Historie von Sake
Man sagt, die ältesten alkoholischen Getränke der Welt seien Bier und Wein. Etwa 5.800 vor Christus wurde in Georgien der erste Wein gebraut. Und was das Bier angeht, soll das erste Gebräu in der Rakefet-Höhle der Natufien-Kultur (im heutigen Israel) hergestellt worden sein — vermutlich vor mehr als 10.000 Jahren.
Zu den Wurzeln des wohlschmeckenden Sake, den man heutzutage kennt, gibt es viele Theorien. Generell geht man davon aus, dass der erste Reiswein vor etwa 2.500 Jahren hergestellt wurde, nachdem der Reisanbau vom chinesischen Festland nach Japan gekommen war. Es gibt Hinweise auf Sake auf Reisbasis im Westen Japans, etwa in den Regionen Kinki und Kyūshū – demnach wäre Reiswein bereits während der Yayoi-Zeit (3. Jahrhundert vor Christus bis 3. Jahrhundert nach Christus) im Westen Japans getrunken worden.
Erste Aufzeichnungen zu Sake
Um 713 nach Christus schrieb man über einen Sake, den man „Kuchikami no Sake“ (口噛みの酒) nannte. Dieser Sake wurde hergestellt, indem man Reis im Mund kaute, ihn in ein Gefäß spuckte und das Ganze mindestens eine Nacht lang stehen ließ. Dieses könnte der Ursprung des Sake gewesen sein, der durch Verzuckerung mit Enzymen aus dem Speichel und Gärung mit wilder Hefe gebraut wurde.
Eine andere Theorie besagt, dass die Technik des Sake-Brauens unter Verwendung von Kōji bereits mit der Einführung des Reisanbaus von China nach Japan gebracht wurde.
In der zweiten Hälfte der Nara-Periode (710-794) stabilisierte sich der Reisanbau. Es ist bekannt, dass zu dieser Zeit am kaiserlichen Hof Sake hergestellt wurde und dass er bei religiösen Ritualen wie dem Gebet für eine gute Ernte verwendet wurde. Damals war das Sake-Brauen jedoch noch recht rudimentär, da das gesamte Reiskorn einschließlich der braunen, äußeren Teile verwendet wurde.
Schrittweise Verbesserung der Brautechniken in der Heian-Zeit
Etwa ab der Heian-Zeit (794 bis 1185) wurde Sake in Klöstern gebraut – der dort hergestellte Sake wurde als „Sōbōshu“ (僧坊酒) bezeichnet.
Die Brautechniken scheinen sich seither dramatisch verbessert zu haben: In Aufzeichnungen aus der Mitte der Heian-Zeit werden verschiedene Methoden des Sake-Brauens mit Reis, Kōji und Wasser beschrieben, die auch heute noch angewandt werden.
Darüber hinaus entwickelten die Mönche eines Tempels in Nara ein Brauverfahren mit poliertem Reis, bekannt als „Morohaku“ (諸白).
Obwohl die genauen Ursprünge des Sake sich also nicht exakt bestimmen lassen, ist Sake inzwischen ein fester Bestandteil des kulinarischen und kulturellen Lebens in Japan geworden — und seine Herstellungsmethoden und auch die erreichbaren Qualitäten haben sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt.
Sake-Brauereien ab dem Mittelalter
In der Muromachi-Zeit (etwa 1336 bis 1573) entstanden die ersten Stätten, in denen Sake gebraut wurde. Naheliegend, dass das Muromachi-Shogunat daraufhin begann, Steuern auf die Sake-Produktion zu erheben.
Sake-Herstellung: Beginn der Industrialisierung in der Edo-Zeit
Das Verfahren zur Sake-Herstellung wurde während der Edo-Zeit (1603 bis 1868) optimiert: Das Polieren des Reises, zuvor manuell vorgenommen, konnte nun in viel größerem Maßstab durchgeführt werden, weil ein Wasserrad eine Reispoliermaschine antrieb. Sake konnte demzufolge industriell und in größerem Umfang produziert werden.
Die „Kan-zukuri“ (寒造り) genannte Methode, bei der Sake im Winter hergestellt wird, weil er sich dann am besten zum Brauen eignet, wurde um diese Zeit eingeführt und wird heute noch praktiziert.
Der französische Wissenschaftler Louis Pasteur entwickelte übrigens Ende des 19. Jahrhunderts eine Methode, um Bier und Wein zu pasteurisieren: Er erhitzte Flaschen auf etwa 60 °C, um zu verhindern, dass der Inhalt nach Abfüllung verdarb. Das gleiche Prinzip war in Japan bereits in der Edo-Zeit weit verbreitet – also rund 300 Jahre früher als in der westlichen Welt!
Entwicklung des Sakebrauens ab dem 20. Jahrhundert
Im Jahr 1904 wurde das National Research Institute of Brewing (国立醸造試験所:現在の独立行政法人酒類総合研究所) gegründet. Zum Ziel hatte sich das Institut gesetzt, das Sake-Brauen auf westlichen mikrobiologischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen basierend zu erforschen.
Mittlerweile sind auf Basis der Forschung und unter Einbindung eines reichhaltigen Erfahrungsschatzes eine Reihe ausgezeichneter Sake-Produkte entstanden. Und nicht zuletzt ermöglichte die Entwicklung von Hochleistungspoliermaschinen das Polieren von Reis mit höchster Präzision – mit hervorragenden Auswirkungen auf den Geschmack und die Qualität des heutigen Sake.
Auswirkungen des II. Weltkrieges auf die Sake-Produktion
Der Krieg, der in den 1940er Jahren begann, warf jedoch einen Schatten auf die Qualität und die Produktion von Sake, die sich zuvor schon weiterentwickelt hatte.
Nahrungsmittel waren längst knapp, und auch der Reis war selbstverständlich betroffen – die Brauer schafften Abhilfe, indem sie dem Sake minderwertigen Alkohol zumischten. Eine Vorgangsweise, die nach dem Krieg noch eine ganze Weile so beibehalten wurde.
Dem Sake wurde weiterhin billiger Alkohol zugesetzt, künstliche Aromen wurden hinzugefügt, um den Geschmack zu modifizieren. Das Ergebnis erzeugte vielleicht einen gewissen Rausch, war aber von gutem Geschmack und guter Qualität, wie wir sie heute kennen, weit entfernt.
Nachkriegszeit, Wirtschaftswachstum und Wettbewerb
Mit dem rasanten Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit stieg trotz minderer Qualität der Verkauf von Sake an und erreichte 1973 einen Höhepunkt.
In den Jahren danach verschärfte sich allerdings der Wettbewerb mit anderen alkoholischen Getränken (Bier, Wein, etc.) – die Produktion von Sake ging allmählich zurück. Hatte es 1926 hatten noch 10.000 Sake-Brauereien in Japan gegeben, sank ab 1974 die Zahl auf unter 1.500 Produktionsstätten.
Dynamischer Aufschwung für erstklassigen Sake
Seit einigen Jahren erlebt die Sake-Industrie wieder einen dynamischen Aufschwung.
Herstellung und Verbrauch von feinem Sake nehmen permanent zu, japanische Exporte ins Ausland haben sich in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht.
Viele der historischen Sake-Brauereien werden heute von einer jüngeren Generation geleitet – man ist innovativ, kreativ und strebt nach bester Qualität. In besagten Brauereien wird Sake immer noch sorgfältig nach traditionellen Methoden gebraut. Dies ist weitaus arbeitsintensiver als andere Herstellungsverfahren, aber die Qualität ist unvergleichlich. Hochwertige Sake gewinnen sowohl in Japan als auch im Ausland immer mehr begeisterte Anhänger.
Sake und seine kulturelle Bedeutung
Die Vorfahren des japanischen Volkes betrieben Landbau sowie Fischfang und lebten in enger Verbindung zur Natur. Naturgewalten gehörten — insbesondere in Japan mit seinen Taifunen, Erdbeben oder sogar Tsunami-Wellen — fast zum Alltag: Die Menschen sprachen vom „Wirken der Götter“, Natur und Götter wurden im Glauben als Einheit angesehen, der Begriff des Shintoismus (神道) entstand.
Seit dem Altertum ist Reis in Japan unverzichtbares Nahrungsmittel und wichtiger Bestandteil in Landwirtschaft und Handel. Reisanbau war immer schon in hohem Maße vom Wetter abhängig – kein Wunder, dass die Menschen zu den Göttern für eine gute Reisernte beteten. So liegt es nicht fern, dass Sake auch oft als „Getränk der Götter“ bezeichnet wird, da es in vielfältigen Ritualen verwendet wird.
Sake in den Ritualien des Shintō
Kein Sake ohne Reis, in den Shintō-Ritualen kommt dies deutlich zum Ausdruck.
Sake, der den Göttern geopfert wird, heißt „Omiki“ (御神酒). Zu besonderen Anlässen und Festivitäten bietet man den Gottheiten Sake als Teil des „Shinsen“ (神饌, „Speise für die Götter“) dar.
„Reis ist der Segen der Götter, die Götter leben in jedem Reiskorn.“
Omiki – Sake für die Götter
„Der Geist der Götter lebt im Sake, der den Göttern geopfert wird“, so glaubt man, und serviert Sake nach dem Fest.
Omiki gilt als das bedeutsamste aller heiligen Getränke und wird traditionell in der Mitte des obersten Regals eines Altars aufgestellt. Reis ist für die Japaner ein Segen der Götter und man glaubt, dass die Götter in jedem Reiskorn leben.
Sake, das Ergebnis eines Vermählungsprozesses von Reis und Wasser mittels natürlicher Gärung, galt als das ultimative Opfer für die Götter. Aus diesem Grund gilt Sake als das wertvollste Geschenk an die Götter.
Sakefässer: dem Schrein gewidmet
Kennen Sie die Schreine mit den charakteristischen roten Torii, den Toren aus dem Shintō? Typisch japanische Ansichten, könnten man sagen.
Wenn Sie einen dieser Schreine besuchen, werden Sie Sie Sakefässer sehen, die sich auf dem Gelände stapeln – als eine der so genannten Weihezeremonien, bei denen die Sake-Brauer den Göttern ihre Ehrerbietung erweisen.
San-San-Kudo, Zeremonie der Shintō-Hochzeit
In heutigen Zeiten ist das Leben der Japaner nicht mehr so eng mit der Religion verbunden wie ehemals.
Dennoch werden viele der wichtigsten Zeremonien des Lebens im Shintō-Stil durchgeführt, Sake spielt dabei nach wie vor eine wichtige Rolle.
Nehmen wir zum Beispiel Hochzeiten. Sake kommt bei der „San-San-Kudo“ (三三九度) zum Einsatz.
Wörtlich übersetzt heißt San-San-Kudo „drei, drei, neun Mal“ und ist das Ritual, bei dem Braut und Bräutigam gemeinsam Sake trinken, um den Segen der Götter zu erbitten. Die Brautleute teilen sich dabei drei verschiedene Größen von Trinkbechern, um den Sake zu empfangen. Indem beide aus demselben Becher trinken, zeigen die zu Vermählenden ihre Bereitschaft, Schmerz und Leid für den Rest ihres Lebens zu teilen. Die einzelnen Trinkbecher symbolisieren „den Wohlstand der Nachkommen“, „das Gelübde von Ehemann und Ehefrau“ und „die Dankbarkeit gegenüber den Vorfahren“.
Sake beim Hausbau: spirituelle Reinigung und die Götter gnädig stimmen
Wenn Japaner einen Hausbau planen, zelebriert ein Shintō-Priester auf der Baustelle das „Jōtō-shiki“ (上棟式) um für die Sicherheit des Hauses nach seiner Fertigstellung zu beten.
Während dieser Zeremonie werden unter anderem Sake, Salz und Reis auf alle Seiten des Gebäudes gestreut. Sake wird also nicht nur zum Trinken, sondern auch zur spirituellen Reinigung verwendet.
Sake das ganze Jahr über
Außerdem gibt es noch zahlreiche saisonale Veranstaltungen und Feste, die das ganze Jahr über stattfinden. Das liegt daran, dass die Jahreszeiten in der Kultur Japan einen hohen Stellenwert einnehmen. Seit der Antike haben die Japaner den Wechsel der Jahreszeiten mit allen Sinnen wahrgenommen und schätzen ihn. Für solche Anlässe darf Sake nicht fehlen.
Für Japaner ist Sake aufgrund der vielfältigen Verknüpfungen zu sprituellen Festen und Volksfesten also nicht nur ein Getränk, sondern ein Symbol ihrer Kultur und ihrer Seele.
Geographische Herkunft von Sake
In Japan gibt es Sake-Brauereien im ganzen Land, vom Norden bis zum Süden und Sake unterscheidet sich auch nach verschiedenen Regionen.
Insbesondere regionales Wasser, aber auch die jeweiligen klimatischen Verhältnisse einer Region wirken sich auf den typischen Sake-Stil je nach Region aus. Natürlich gibt es klare Unterschiede zwischen den einzelnen Brauereien und Marken, aber im Allgemeinen ist Sake aus nördlichen Regionen oft leicht, trocken und hinterlässt einen eleganten Eindruck, während Sake aus südlichen Regionen eher süß und vollmundig.
Es kann schwierig sein, die komplizierten Sake-Etiketten zu entziffern und den gewünschten Sake auszuwählen, aber ein kurzer Überblick der typischen Eigenschaften des Sake in jeder Region macht die Sache einfacher.