Aal ist ein Klassiker der japanischen Küche. In Deutschland wird der Fisch überwiegend geräuchert genossen, in Japan kennt man viele verschiedene Zubereitungsarten.
„Unagi“ ist so viel mehr als Nigiri, die Zubereitung in einer Form von Sushi. Allein in Sushi hat der Aal schon eine umfassende Tradition und wird auf ganz unterschiedliche Arten veredelt! Hier erfahren Sie die interessante Geschichte rund um Unagi: Aal auf Japanisch.
Unagi (鰻) ist in Deutschland als Süßwasseraal (biologisch: Anguilla Japonica) bekannt. Auf den ersten Blick erscheint der lange, schlangenförmige Fisch vielleicht nicht wie eine Delikatesse. Trotzdem ist er in Japan seit vielen Jahrhunderten beliebt.
In jeder Region Japans, in den kleineren wie größeren Städten finden sich Restaurants, die auf die Zubereitung von Aal spezialisiert sind. Die sind einfach zu erkennen: Auf dem Noren, dem traditionell in der Tür hängenden Vorhang, findet man das Schriftzeichen „う“ (entspricht dem japanischen „U“). Das „う“ steht nicht nur für Unagi, den Aal. Es erinnert auch in seiner Form an den langen, schlangenförmigen Fisch. Oft findet sich das Schriftzeichen im Namen der Restaurants.
Bitte nicht verwechseln: Auch Salzwasseraal wird in Japan verspeist. Der heißt allerdings Anago (穴子) und wird ganz anders zubereitet.
Mit Unagi hat der Salzwasseraaal Anago zumindest in der Küche nichts gemeinsam.
Aal besonders beliebt im Sommer
Aal ist kein saisonales Lebensmittel im strengen Sinn: In Japan wird er eigentlich das ganze Jahr über zubereitet. Aber besonders im heißen, schwülen japanischen Sommer ist der Aal beliebt. Denn der Fisch hat einen hohen Gehalt an Vitaminen und Mineralien.
Die schwüle Hitze des Sommers ist vor allem in der Mitte des Landes und an der Küste schwer zu ertragen. Hier leidet man unter der sogenannten Sommermüdigkeit: Wenn das Thermometer auf 28 Grad Celsius und darüber steigt, die Luftfeuchtigkeit sich der 100-Prozent-Marke nähert, ist man einfach schlapp. Aal gilt als perfektes Mittel, diese Jahreszeit besser zu ertragen. Es gibt sogar einen Tag im Sommer, an dem traditionell Unagi serviert wird. Das ist der Doyo Ushi no Hi (土用の丑の日), der Tag des Ochsen. Wie stark Unagi mit dem Doyo Ushi no Hi assoziiert ist, zeigen die Statistiken. Ein Drittel der in Japan verspeisten Süßwasseraale wird am Doyo Ushi no Hi serviert.
Warum wird Aal gerne am Tag des Ochsen gegessen?
Der Tag fällt in der Regel auf die Zeit zwischen dem 20. und dem 27. Juli. Die Berechnung des genauen Datums ist etwas komplexer. Das hat verschiedene Gründe: In Japan ist für einige wenige traditionelle Feste und Feiertage immer noch der chinesische Mondkalender üblich, der das Jahr nicht nach dem Sonnenlauf, sondern nach den Mondphasen einteilt. Im Gegensatz zu anderen asiatischen Ländern ist die Nutzung dieser Zeitrechnung in Japan aber nicht mehr so ausgeprägt.
Und Japan ist ein großes Land, das sich weit von Norden nach Süden erstreckt und viele verschiedene Klimazonen abdeckt. Der Herbst ist von starken Taifunen geprägt, die in der Regel vom Pazifik aus südlicher Richtung über das Land ziehen. Der Tag des Ochsen liegt etwa 18 oder 19 Tage vor dem Beginn des Herbstes. Offizieller Herbstbeginn ist in Japan am 22. September (gesetzlicher Feiertag) – der Tag des Ochsen richtet sich aber nicht nach dem nach westlichen Gepflogenheiten festgelegten Daten. Er markiert stattdessen die heißeste Zeit des Sommers.
Wie es zu der Verbindung von Ochse und Aal kam
Schon seit uralten Zeiten sagt man, dass eine Speise, die mit „U“ beginnt, gut für die Gesundheit ist. Solche Speisen sind zum Beispiel Udon (うどん、dicke Weizennudeln), Uri (瓜, Melone) oder eben Unagi (鰻, Aal). Wie kam man nun auf die Idee, diesen Doyo Ushi no Hi, den Tag des Ochsen, ausgerechnet mit Unagi zu verbinden? Einen näheren Zusammenhang zwischen dem landbewohnenden Ochsen und dem Aal kennt man auch in Japan eher nicht… Der Tag des Ochsen hat seine Bezeichnung schlichtweg aus dem chinesischen Kalender. Um einen sprichwörtlichen Ochsen geht es also gar nicht.
Gegen Ende der Edo-Periode (1603 bis 1868) klagte eines Tages der Besitzer eines Aal-Restaurants gegenüber dem Gelehrten und Schriftsteller Hiraga Gennai darüber, dass in den heißen Sommertagen sein Geschäft so schlecht laufe. Dieser „erfand“ den werbewirksamen Satz „Heute ist Doyo-ushi“. Seither verbindet man Doyo Ushi no Hi mit dem Essen von Aal.
Ein werbewirksamer Satz mit medizinischem Hintergrund
Dazu muss man wissen: Hiraga Gennai war ab 1744 als Kräuterkundler von Fürst Matsudaira Yoritaka von Takamatsu eingestellt. 1752 wurde er nach Nagasaki entsandt, um sich mit den pharmazeutischen Nutzen von Tieren, Pflanzen und Mineralien zu beschäftigen. Die Studienergebnisse wurden später in einem sechsbändigen pharmakologischen Werk veröffentlicht (Butsurui hinshitsu, 物類品隲). Der Mann kam in Nagasaki mit den dort anwesenden Niederländern in Kontakt, befasste sich mit westlichen Studien und Erfindungen und wurde unter anderem für seine selbstironischen Essays bekannt, die sich mit Flatulenzen befassten. Man darf also mutmaßen, dass vielleicht doch ein Fünkchen Wahrheit darin steckt, wenn der Gelehrte im heißen Sommer Aal für die Gesundheit empfahl.
Gegrillter Aal ist nicht gleich gegrillter Aal: Verschiedene Zubereitungsformen
Aal wird in Japan auf verschiedene Arten zubereitet und fast ganzheitlich verarbeitet. Hier ein Überblick über die beliebtesten Zubereitungsformen.
Der beliebteste Aal: Unagi no Kabayaki
Die vielleicht bekannteste Zubereitungsart für Aal ist Unagi no Kabayaki (鰻の蒲焼). Das ist ein aufwendiges Gericht: Der ausgenommene und gesäuberte Aal wird im ersten Arbeitsschritt entgrätet.
Anschließend zieht man den so vorbereiteten Fisch auf Spieße und grillt ihn über Holzkohle. Beliebt ist Holzkohle, die auch Bincho hergestellt wird, also aus Eiche, die aus Wakayama stammt. Im nächsten Arbeitsschritt wird der bereits gare Aal gedämpft. Dadurch soll das überflüssige Fett aus dem Fisch gezogen werden. Das passiert aber nicht überall in Japan. In Osaka und der gesamten Kansai-Region verzichtet man auf das Dämpfen. Hier bleibt der Aal einfach länger auf dem Grill. Dadurch kann das Fett ebenfalls austreten.
Erst danach wird der Aal mit einer süßlich schmeckenden Sauce bestrichen und ein zweites Mal gegrillt. Diese Sauce ist fest mit dem Aal verbunden. Unsere Kunden und Kundinnen im sansaro kennen sie von Unagi-Nigiri, das ist ein längliches Stück Sushi mit Aal. Weil der Aal bereits in der süßen Sauce mariniert ist, kommt Unagi-Nigiri ohne Sojasauce aus.
Geheimrezept: Die Sauce zum Aal
Die Basis der Sauce zum Aal bildet Sojasauce. Die wird mit verschiedenen Arten von Zucker und Zuckersirup gesüßt. Dazu kommen verschiedene Gewürze und ein süßer Sake. Die genaue Mischung der Sauce ist allerdings in jedem Restaurant anders und jeweils der ganze Stolz der Restaurant-Besitzer. Auch das ist in Japan eine Besonderheit, die es in Deutschland nicht so oft gibt: Die kleinen, spezialisierten Restaurants haben häufig nur eine Handvoll unterschiedliche Gerichte im Angebot, der Besitzer ist gleichzeitig der Koch und manchmal sogar einziger Kellner. Selbstverständlich ist die genaue Zusammensetzung der Sauce zum Aal geheim!
Serviert wird Unagi no Kabayaki auf einer Schale Reis. Das heißt korrekt Unagi Donburi (鰻丼), kurz Una-don. Manchmal spricht man auch von Una-ju (鰻重). Zweiteres bedeutet so viel wie „Aal gestapelt“ und beschreibt damit ganz genau, wie das Gericht aussieht.
Auch in Japan ist Aal heute ein ganz besonderer Genuss und nicht alltäglich. Wer sich so eine exquisite Mahlzeit gönnt, tut das selbstverständlich in einem auf Aal spezialisierten Restaurant! Ganz wichtig ist die hochwertige Grillkohle, über der der Aal gegart wird. Eine Umfrage hat übrigens ergeben, das die meisten Japaner und Japanerinnen Aal zweimal jährlich oder noch seltener essen (nur 16,8 Prozent gaben an, einmal in zwei oder drei Monaten Aal zu speisen). Das ist interessant, denn Unagi ist sehr beliebt!
Weiß gegrillter Aal: Shirayaki Unagi feiert den Minimalismus
Warum den starken Eigengeschmack des Aals mit einer aufwendig hergestellten Sauce überdecken, wenn man ihn auch feiern und genießen kann? Shirayaki Unagi (白焼き鰻, wörtlich übersetzt „weiß gegrillter Aal“) überdeckt das süßliche Aroma des fetten Fischs nichts, sondern betont es.
Die Zubereitung von Unagi Shirayaki (白焼き鰻) ähnelt der eben beschriebenen Zubereitung von Unagi no Kabayaki. Der Unterschied liegt darin, dass der Fisch vor dem Grillen nur gesalzen wird. Die süße Sauce, der zweite Grillgang fallen also weg. Puristen bevorzugen diese Zubereitung, denn sie betont durch die Kombination von Grillaromen und dem ohnehin leicht süßlichen Geschmack des Fetts das besondere Aroma des Fisches.
Unagi Shirayaki in München
Da sind wir schon stolz drauf: In unserem Restaurant sansaro bereiten wir Shirayaki Unagi schon seit 2015 selbst zu. Im Gault Millau konnte man 2020 lesen, dass ein Münchner Zwei-Sterne-Koch Aal in Form von Shirayaki Unagi anbietet. Das sei eine Besonderheit, die man in Deutschland ganz selten fände. Dementsprechend viel Bewunderung sprach aus dem Artikel. Unsere Gäste können ebenfalls den vollständig bei uns im Haus zerlegten und zubereiteten Shirayaki Unagi genießen – ohne dafür für zwei Sterne bezahlen zu müssen…
Hitsumabushi: Ein Aal in vier Gängen
Wir reisen gedanklich und kulinarisch weiter durch Japan und befinden uns jetzt in Nagoya. Eine Spezialität in Nagoya ist Hitsumabushi (櫃まぶし). Für dieses Gericht wird ein ganzer Aal ausgenommen und gesäubert. Der Fisch wird in vier Portionen geteilt und in vier Gängen zubereitet. Im ersten Gang serviert man den Aal in Nagoya einfach mit Reis. Im zweiten Gang wird der Aal mit Wasabi, Frühlingszwiebeln und in feine Streifen geschnittenen Nori serviert. Für die dritte Portion wird alles mit dem japanischen grünen Tee O-cha übergossen. Das Gericht erinnert im Aussehen ein bisschen an Ochazuke (お茶漬, im Original allerdings mit gebratenem Lachs statt Aal zubereitet). Der heiße Tee zieht in den Reis ein, verteilt den Geschmack von Wasabi, Frühlingszwiebeln und Nori im Reis. Das Ganze addiert sich mit dem süßlich-herben Aroma des Tees zu einer feinen Würze.
Was passiert nun mit dem vierten Stück Aal, das noch übrig ist? Die vierte Portion wird so zubereitet, wie man das selbst am liebsten mag – oder wie es der Koch oder die Köchin gerade bevorzugt.
In unserem Restaurant haben wir Hitsumabushi während des Corona-Lockdowns in unserem Lieferservice angeboten und dazu auch das Gericht und seine Historie genauer erklärt.
Welcher Sake passt zum japanischen Aal?
Nose to Tail: Alles vom Aal wird zubereitet
Ein Fisch besteht natürlich nicht nur aus Filet.
In Japan wird traditionell so viel wie möglich von einem Rohstoff verwendet. Beim Gemüse bedeutet das: Strunk, Stängel und Blüten werden auch verarbeitet. Beim Aal bedeutet es, dass auch kleine Fleischstücke und die Knochen beziehungsweise Gräten genutzt werden können – und zwar für schmackhafte Gerichte!
Nigiri-Sushi: Aal vom Grill
Für Nigiri-Sushi wird der Aal gegrillt. Die gegrillten Fischstück bestreicht man mit der typischen Sauce zum Aal, wie alle Arten von Sauce in Japan allgemein als Tare (垂れ) bezeichnet. So vereinen sich der kräftige Geschmack des Aals mit der leichten Süße des Sushireises zu einer bezaubernden Harmonie.
Hone Senbei – frittierte Snacks mit hohem Kalziumgehalt
Und dann sind da noch Hone Senbei (骨煎餅), ein Snack, der aus den Gräten zubereitet wird. Die Gräten werden geröstet, dann frittiert und leicht gesalzen. Man isst diesen Snack gerne zu Sake oder Bier. Fischgräten sind besonders reich an Kalzium.
Nicht nur die Gräten des Aals nutzt man in der japanischen Küche. Andere (kleine Arten) Fische werden im Ganzen getrocknet, geräuchert und an Speisen gegeben. Das passiert auch mit kleinen Krabben oder Krebstieren, inklusive des Panzers. Die Kalziumversorgung ist bei traditioneller japanischer Küche also gar kein Problem, obwohl Milchprodukte keine große Rolle spielen.
Süßes Tamago-yaki mit salzigem Aal: Umaki
Wenn man Stücke des Aals in ein japanisches Omelett (卵焼き, Tamago-yaki) wickelt, so erhält man sogenannte Umaki (鰻巻き), das besonders durch die Kombination von salzigem Fisch und süßlicher Eimasse besticht.
Auch Umaki steht schon seit vielen Jahren auf der Speisekarte bei uns im sansaro. Selbstverständlich wird Umaki bei uns in Handarbeit hergestellt. Die Verwendung von frischen Eiern in Bio-Qualität ist für uns selbstverständlich (schon lange, bevor wir Bio-zertifiziert waren)!
Leber vom Aal, gegrillt über Holzkohle
Für Unagi no Kimoy-aki (鰻のきも焼き) wird die Leber des Aals über Holzkohle gegrillt und mit Salz und Sansho-Pfeffer gewürzt als kleiner Snack serviert. Die Innereien des Fischs sind also auch nutzbar, wenn auch eingeschränkt.
Eine weitere Zubereitungsart der Leber des Aals findet man in Kimosuji (肝すじ), einer leichten klaren Brühe mit Dashi, Mirin, Sojasauce und Mitsuba. Bei Mitsuba (三つ葉) handelt es sich um eine Art japanischer „Petersilie“, ein Küchenkraut aus der Familie der Doldenblütler. Der Geschmack von Mitsuba ist feiner als Petersilie und erinnert ein wenig an Giersch. Dem aufmerksamen Liebhaber der japanischen Küche ist vielleicht nicht entgangen, dass wir in den letzten Jahren in unsere saisonalen Gerichte immer wieder gerne Mitsuba von dem genialen Münchner Gärtner Johannes Schwarz angeboten haben.
Ganzer Aal? Una-zukushi!
Das Prinzip „Nose to Tail“ ist als besonders nachhaltiger, wertschätzender Umgang mit Lebensmitteln in den letzten Jahren in Mode. In Japan praktiziert man das schon seit vielen Jahrhunderten. Man spricht hier von Una-zukushi, dem „ganzen Aal“.
Aal als Lebensmittel mit langer Tradition
Aal ist ein wichtiger und beliebter Bestandteil der japanischen Küche. Wir sind immer wieder überrascht, dass sich unsere deutschen Gäste mit dem Thema Aal etwas schwer tun. Vielleicht liegt es daran, dass man den Fisch hierzulande fast ausschließlich in geräucherter Form kennt? Schade eigentlich! Denn geschmacklich hat Unagi einfach unglaublich viel zu bieten. Schauen Sie sich die Speisekarte des Restaurants immer genau an, wenn Sie Unagi-Sushi essen. Gibt es noch andere Gerichte mit Aal? Das wäre ein Hinweis darauf, dass der Aal vielleicht sogar frisch im Haus zerlegt wird. Wenn nicht, bekommen Sie möglicherweise industriell vorbereitete Fertigfilets serviert. Es versteht sich von selbst, dass Geschmack und Genuss nur durch kunstvolle Handarbeit wirklich gegeben sind!
Traditionelles Lebensmittel: Aal in Gedichten besungen
Erst während der Edo-Zeit (1603 – 1868) war Aal als Nahrungsmittel in großen Teilen der Bevölkerung alltäglich geworden. Das bedeutet aber nicht, dass der Fisch als Nahrungsmittel vorher unbekannt war. Wir wissen dank des Man’yoshu (万葉集, wörtlich übersetzt die „Sammlung von 1.000 Blättern“), dass der Aal schon vor 1.200 Jahren für sein extrem nahrhaftes Fleisch und den hohen Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen bekannt war. Das Man’yoshu ist eine Sammlung von Gedichten und wurde in der Nara-Zeit (710 – 794) zusammengestellt. Es enthält zwei Gedichte, in denen der Dichter Otomo no Yakamochi einem Freund Aal als Nahrungsmittel empfiehlt. Der Freund hatte offenbar in einem heißen Sommer viel Gewicht verloren.
Gehen wir noch weiter zurück in den Beziehungen der Japaner und Japanerinnen zum Aal, kommen wir in der späten Jomon-Zeit an. Erhaltene Funde von Knochen und Gräten belegen, dass Aal schon vor etwa 2.300 Jahren in Japan als Nahrungsmittel diente.
Wir wissen vom hohen Status, den der Aal als mysteriöses Tier in nahezu allen Kulturen Ostasiens und den Inselreichen des Südpazifiks über Neuseeland bis zu den First Nations Amerikas genießt. War der Aal in Japan immer die nährstoffreiche Nahrung für die heißeste und anstrengendste Zeit des Sommers, half er den Menschen der First Nations, die strengen, kalten Winter gut zu überstehen. Der atlantische Aal ist aus vielen Teilen Amerikas und Europas bereits verschwunden. Und auch der japanische Aal ist bedroht.
Ausflug in die Biologie: Wie lebt ein Aal?
Wenn wir uns mit der Biologie des Aals beschäftigen, müssen wir festhalten: Aal ist nicht gleich Aal.
Sowohl der Süßwasseraal (Unagi,Anguilla Japonica aus der Familie der Anguillidae) als auch die zahlreichen Arten der Aalartigen, die im Meer leben (Anago, Conger myriaster aus der Familie Congridae) und die Schleimaale oder Inger (Nuta-Unagi, Eptatretus burgeri aus der Familie Myxinidae) werden im deutschen Sprachgebrauch einfach als Aal bezeichnet. Der Süßwasseraal stellt dabei eine Besonderheit dar. Der Fisch ist zwar in Japan schon lange bekannt und als Nahrungsmittel beliebt. Aber der Fisch ist auch ein Mysterium. Denn anders als andere Fische lebt er im Süßwasser und begibt sich nur zum Ablaichen ins Meer. Damit ist er ein sogenannter katadromer Wanderfisch – im Gegensatz dazu ist beispielsweise der Lachs, der zum Ablaichen aus dem Meer die Flüsse hochschwimmt, ein anadromer Wanderfisch.
Süßwasseraale werden im Ozean geboren. Dort durchleben die Tiere zwei Metamorphosen, also Larvenstadien. Sie wandern in der Zeit durch die Meere und wachsen. Wenn sie eine bestimmte Größe erreicht haben, lassen sie sich von den Gezeiten in die Flüsse tragen. Dort entwickeln sie sich zu der Erscheinung, die in Japan als Shirasu-Unagi, als Glas-Aal bekannt ist. Die Tiere leben nun für einige Jahre in den Flüssen und Seen, bevor sie sich zum Ablaichen wieder ins Meer begeben.
Aal als agrarwirtschaftliches Produkt
Jedes Jahr werden in Japan laut Fischereiministerium etwa 50.000 Tonnen Aal konsumiert. 99 Prozent dieser Menge an Fisch kommen aus Aquakulturen. Die Aale werden als Jungtiere bei ihren Wanderungen in den Flussmündungen gefangen und in kontrollierte Aufzuchtbecken in Teichen gebracht. Es handelt sich also um die sogenannten Shirasu-Unagi. Dort werden die Tiere für etwa sechs Monate bis zu einem Jahr großgezogen. Anschließend verschifft man sie zur Weiterverarbeitung.
Weltweite zunehmende Beliebtheit der japanischen Küche setzt Aal-Bestände unter Druck
Die japanische Küche hat in den letzten Jahren weltweit an Beliebtheit gewonnen. Verschiedene Nahrungsmittel erlebten einen echten Boom, und in diesem Zuge hat sich auch die Nachfrage nach Aal stetig erhöht. Die Fangquoten für Shirasu-Aal hat dagegen in den letzten 40 Jahren kontinuierlich abgenommen. Deshalb wurde es immer dringlicher, die Tiere und ihren Lebensraum eingehend zu studieren. Heute ist der Aal als gefährdete Spezies beim IUCN gelistet.
Forschungsgegenstand Aal
Bei allem Verständnis für die traditionelle Kultur Japans und die damit verbundenen kulinarischen Genüsse: Kein Aal ist keine Lösung. Seit einigen Jahren beschäftigt sich ein Forschungsteam der Universität von Tokyo in Zusammenarbeit mit dem Atmosphere and Ocean Research Institute mit der Erforschung des Lebensraums der Aale. 2011 gelang ein Durchbruch: Man fand heraus, dass der japanische Aal etwa 2.500 Kilometer von Japan entfernt nahe der westlichen Marianen laicht. Die Fische migrieren während der Wachstumsphase durch die Philippinensee, über die Philippinen und bis nach Taiwan, getrieben von den Strömungen des Meeres. Erst dann kommen sie in Japan an.
Forschung in verschiedenen Ländern
Dem Problem der zurückgehenden Aalpopulationen geht man indes nicht nur in Japan auf den Grund. Auch in Taiwan, China und Südkorea erforscht man den Aal seit 2012 intensiv und tauscht sich auf informeller Ebene aus. Bis heute fehlt allerdings noch ein einheitliches Vorgehen bei der Forschung.
Ausblick in die Zukunft: Nicht ohne Aal!
Bislang ist nicht klar, was gegen die immer weiter schrumpfenden Aalpopulationen getan werden kann. Ob sich die beteiligten Staaten einmal auf ein gemeinsames Schutzprojekt einigen können, steht in den Sternen. Derweil hat sich die Kinki Universität in Osaka, meist einfach als Kindai Universität bezeichnet, um eine andere Lösung bemüht. 2016 gelang die Entwicklung eines Welsartigen, dessen Fleisch wie Aal schmeckt. Dass die Welse nach Aal schmecken, ist nicht nur ein Zuchterfolg. Auch die Ernährung der Tiere trägt zu dem charakteristischen Geschmack bei. Allerdings muss der Fisch immer noch als Unagi no Kabayaki zubereitet werden – den Geschmack der süßen Sauce konnte man noch nicht in die Welse züchten.
Ob die Welsartigen mit dem Aalgeschmack jemals markttauglich werden, ist allerdings noch nicht sicher. Aber immerhin hat sich hier eine Möglichkeit aufgetan, das Problem der drohenden Ausrottung des Shirasu-Unagi auch bei weiter steigendem Konsum anzugehen.
Japanischer Forschungsansatz für mögliche Zucht des Aals
Fisch aus dem Labor könnte eine Zukunft sein?
Das ist natürlich keine einzigartige Entwicklung. Weltweit laufen Forschungsprojekte, die sich mit der Zucht aussterbender und stark bedrohter Tiere befassen. Das ist insbesondere in Hinblick auf die Sicherung einer ausreichenden Ernährung der Weltbevölkerung wichtig. Denn natürlich geht es beim Aal nicht nur um einzigartigen Geschmack, sondern auch um den Fettgehalt, um Nährstoffe und um Esskultur.
Wenn wir im Restaurant sansaro Aal servieren, tun wir das in dem Bewusstsein, ein Stück japanische Kultur zu erhalten und weiterzutragen. Unsere Gerichte werden in tiefem Respekt gegenüber der Natur und diesen wunderbaren Tieren zubereitet. Wir servieren keinen Aal aus Wildfängen, sondern aus Aquakulturen. Lassen Sie sich unsere saisonalen Spezialitäten nicht entgehen! Bis bald im sansaro.